Landeschronist Wolfgang Thöni über die neuen Herausforderungen für Chronisten und warum Teamarbeit wichtig ist

Bozen. Meist unbemerkt und ohne viel Aufhebens verrichten die Chronistinnen und Chronisten im Lande ihr Werk, bewahren lokale Ereignisse in den Gemeinden für die Nachwelt. Einmal im Jahr, am Tag der Chronistinnen und Chronisten – heuer am 7. November – stehen sie im Mittelpunkt. Welches die großen Herausforderungen für das Chronikwesen sind und wie es unterstützt wird, erläutert Landeschronist Wolfgang Thöni, der vor genau einem Jahr in dieses Amt gewählt wurde.    

„Dolomiten“: Herr Thöni, Sie sind jetzt seit einem Jahr Landeschronist. Was konnten Sie in dieser Zeit umsetzen?

Wolfgang Thöni: Für das Chronikwesen hat es im laufenden Jahr eine große Veränderung gegeben – durch den Übergang vom Landesarchiv ans Südtiroler Bildungszentrum. Dort wird jetzt eine Anlaufstelle für die Chronistinnen und Chronisten aufgebaut. Unser Ziel ist es, sie in jeder Hinsicht zu unterstützen. Wir müssen schauen, wo schon Chronisten tätig sind – und sie erreichen, ihnen zur Seite stehen und sie vernetzen.  Und wir müssen in den Gemeinden vermehrt auf ihre Wichtigkeit aufmerksam machen. Sie halten den Alltag und Veränderungen vor Ort fest und ermöglichen damit Grundlagenforschung.

 

„D“: Das heißt, nicht alle Chronisten werden von den Gemeinden unterstützt?

Thöni: Keineswegs. Es gibt eine Mustervereinbarung zwischen Chronisten und Gemeinden, die wir gerade zusammen mit dem Gemeindenverband überarbeiten.  Chronistinnen und Chronisten arbeiten ehrenamtlich, aber zumindest Arbeitsmaterialien und Räume müssen ihnen in den Gemeinden zur Verfügung gestellt und die Spesen entgolten werden.

 

„D“: Wie läuft die Chronistenarbeit derzeit ab?

Thöni: Derzeit läuft die Chronikarbeit meist so ab, dass am Ende jeden Jahres eine Jahreschronik erstellt wird. Diese enthält Artikel aus Tageszeitungen und Gemeindeblättern, Berichte über Bautätigkeit und Fotos, manche Chronisten füllen sie auch mit eigenen Berichten und Beobachtungen auf – was sehr wertvoll ist. Es wäre vor allem für die Gemeinden selber sehr wichtig, von der analogen zur digitalen Chronistenarbeit zu kommen, wo man mit Volltextsuche auch recherchieren kann. Dadurch kann man auch Jüngere für die Chronikarbeit gewinnen. In einigen Orten gelingt das schon. Und es wäre ebenso wichtig, das Vereins- und Dorfleben zu dokumentieren, auch Erstkommunion, Wetterereignisse, Anekdoten festzuhalten und aufzuschreiben. Wenn das nicht festgehalten wird, ist es für immer verloren. In einigen Dörfern wird das auch schon gemacht.

 

„D“: Sie sagen, Jüngere sollten für die Chronikarbeit gewonnen werden. Gibt es Nachwuchssorgen?

Thöni: Meine beiden Stellvertreter – Alexander Lutt aus dem Vinschgau und Gabi Seebacher aus dem Sarntal – sind jung. Aber die meisten Chronisten sind Pensionisten. Am besten wäre es, wenn sich in einem Dorf eine Gruppe – auch aus verschiedenen Altersstufen – findet, die die Chronikarbeit in Teamarbeit übernimmt: jemand, der das Dorfleben fotografisch festhält, jemand, der Zeitungsartikel sammelt und einscannt, ein dritter oder eine dritte, die Begebenheiten aus dem Dorfleben aufschreibt, und jemand, der sich mit dem Computer gut auskennt.  Grundsätzlich muss sich eine Chronistin oder ein Chronist für das Dorfleben interessieren.

 

„D“: Wird in diesen Bereichen auch Weiterbildung angeboten?

Thöni: Wir hatten gerade einen Basislehrgang für das Chronikwesen, dafür gab es durchaus Interesse. Weitere Fortbildungen sind geplant. Ein besonderes Anliegen ist mir die „Oral history“, die erzählte Geschichte. Ältere Menschen sind ein Fundus für jeden Chronisten. Wir hätten gerne, dass die Gemeinden den Chronisten das Equipment zur Verfügung stellen, damit sie ältere Leute aus ihrem Leben erzählen lassen und sie dabei filmen können. Sie sind ein unermesslicher Schatz für die Chronikarbeit. Wenn das jetzt nicht aufgezeichnet wird, verschwindet dieses Wissen für immer.

 

Nach oben